Tipps & Tricks Wie sieht ein Mensch mit Rheuma aus? „Ich kenne da einen Mann, der immer so vornübergebeugt und steif geht…“ Bei Rheuma denken die meisten Menschen an eine alte, gebeugte Person mit Gehstock. Offen gesagt, auf den ersten Blick ist dies nicht einmal verwerflich oder verwunderlich. Allein die Unterscheidung von Arthritis und Arthrose ist, ohne detailliertere Kenntnisse über beide Krankheitsbilder zu besitzen, schon schwer genug. Einfach gesagt ist Arthrose ein altersbedingter Gelenkverschleiß und Arthritis eine durch das Immunsystem verursachte Entzündung der Gelenkinnenhaut. Auch wenn es einige überrascht: Bei Rheuma handelt es sich um ein Krankheitsbild, welches ungeachtet vom Alter auftreten kann. Guckt als Beispiel mich an. Ich war 28 Jahre alt, als ich die Diagnose „Rheumatoide Arthritis“ (RA) erhalten habe. Offengestanden hat die Diagnose bei mir verschiedene Gefühle hervorgerufen. Auf der einen Seite verspürte ich durchaus so etwas wie Erleichterung: Ich wusste nun endlich, was mich seit Monaten quälte. Andererseits jedoch krampfte sich mein Magen zusammen, als ich erfuhr, dass die Erkrankung chronisch ist. Du kannst Dir sicher denken, dass ich erst einmal etwas überrumpelt war. Als hoffnungsvoller Optimist ging ich von einer einfachen Gelenkentzündung aufgrund von Bakterien aus. Eine Diagnose wie „Rheuma“ hatte ich nicht erwartet, beziehungsweise gehofft, nicht zu erhalten. Was nicht vergessen werden darf ist, dass eine rheumatische Erkrankung bereits im Kindesalter auftreten kann. Ich kann hierbei nur erahnen, wie viel Kraft solche Menschen aufbringen müssen, um zu lernen wie sie mit Ihrer Diagnose am besten leben können. Auch hier sieht man den wenigsten Betroffenen ihre rheumatische Erkrankung an. Warum? Weshalb sieht man heutzutage – zum Glück – den meisten Menschen mit einer RA ihre Erkrankung nicht mehr an? Nun, das kann ich euch gerne aus meiner Sicht heraus erzählen. Der Segen der modernen Medizin Dankenswerterweise ist die medizinische Entwicklung in Bezug auf effektive Rheumamedikamente nicht stehen geblieben. So konnte beispielsweise durch das bessere Verständnis vom Zusammenspiel der Botenstoffe unseres Immunsystems das „Arsenal“ an Medikamenten gegen chronisch entzündliche Krankheiten um diverse hochwirksame Wirkstoffe erweitert werden. Als Beispiel sind hier Biologika zu nennen. Also künstlich hergestellte Antikörper, beziehungsweise Proteine, die gezielt bestimmte Signale des Immunsystems blockieren. Unter anderem ist es auch diesen neuen Therapiemöglichkeiten zu verdanken, dass bei einer großen Anzahl von Erkrankten ein Voranschreiten der Entzündung gestoppt werden kann. Dadurch ist in der Regel eine normale Bewegung der Gelenke möglich und sogar eine komplette Beschwerdefreiheit ist nicht mehr unrealistisch. Die Krankheit wird durch die Therapie in eine Art „Ruhezustand“ versetzt. Sie ist nicht geheilt, schreitet aber auch nicht weiter voran – vorausgesetzt, die Medikamente werden vertragen, rechtzeitig eingesetzt und wirken beim Patienten. Denn auch die neuen Medikamente schlagen nicht immer an. Doch zum Glück werden nach meiner Erfahrung die meisten Medikamente gut vertragen und zeigen häufig eine gute Wirkung. Unter anderem ist es diesen Medikamenten zu verdanken, dass die Schmerzen und die teils enormen Bewegungseinschränkungen bei Betroffenen oft nur während den Schüben angesehen werden können. Auch für mich sind diese neuen Medikamente die „Rettung“ gewesen. Denn leider hat sich mein Immunsystem durch die Basistherapie mit DMARDs (disease modifying anti-rheumatic drugs) nicht beeindrucken lassen. Erst eine Kombination aus einem Biologikum und einem Basismedikament brachte mir den erhofften Durchbruch. Ich kann Euch also aus eigener Erfahrung berichten, dass es auch diese neuen und wirkungsvollen Medikamente sind, die es Rheumatikern erlauben, sich nahezu schmerzfrei zu bewegen und dem Leben wie gewohnt nachgehen zu können. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum man vielen Rheumatikern ihr Rheuma nicht ansieht. Du bist, was Du isst Wer hat diesen Spruch nicht schon einmal gehört? Doch wer von einer chronischen Erkrankung wie der RA betroffen ist, der sollte – neben der regelmäßigen Einnahme seiner Medikamente und den wiederkehrenden Kontrolluntersuchungen beim Rheumatologen – auch bewusst auf seine Ernährung achten. Viel Obst, Vollkornprodukte, Gemüse und Öle (wie Lein- oder Rapsöl), aber auch regelmäßige Fischmahlzeiten gehören auf den Speiseplan eines Rheumatikers. Möglichst meiden sollten sie dagegen rotes und verarbeitetes Fleisch, Alkohol, Eier und raffinierter Zucker. Das Zauberwort hierbei ist „ungesättigte Fettsäuren“, wie zum Beispiel alpha-Linolensäure oder Omega-3-Fettsäuren. Sie sind der direkte Gegenspieler zu der entzündungsfördernden Arachidonsäure, welche besonders in tierischen Lebensmitteln enthalten ist. Besonders praktisch ist es, sich einfach eine Snack-Box mit Obst und Gemüse für die Arbeit vorzubereiten. Besonders gerne esse ich abends eine Schüssel mit Naturjoghurt, Haferflocken und einem Schuss Honig. Verfeinert wird das Ganze dann noch mit einem Esslöffel Raps- und Walnussöl. Bewegung hält Jung Ein vielleicht abgegriffener Spruch, aber er ist zu diesem Thema durchaus angebracht. Denn nicht nur die Ernährungsweise, sondern auch sportliche Aktivitäten spielen im Leben vieler Rheumatiker eine essenzielle Rolle. Auch für mich war vor der Diagnose RA regelmäßiger Sport ein fester Bestandteil meiner wöchentlichen Routine. Übergewicht belastet die Gelenke sowie das Herz-Kreislauf-System und ist daher unbedingt zu vermeiden. Da unsere Muskulatur das größte Stoffwechselorgan unseres Körpers darstellt, ist sportliche Aktivität hervorragend dazu geeignet, das Gewebe straff und die Gelenke beweglich zu halten. Ich betreibe trotz meiner RA leidenschaftlich gerne Thaiboxen und klassisches Krafttraining. Dabei muss ich besonders beim Thaiboxen darauf achten, meine Knie- und Sprunggelenke nicht überzubelasten. Einfach mal eine Übung nur andeuten oder mit weniger Schwung ausführen und stattdessen lieber die saubere Ausführung der Technik trainieren. Aber auch beim Krafttraining gibt es zahllose Übungen, welche die Kraft steigern und die Beweglichkeit erhalten können. Interessanterweise geht es meinen Gelenken nach einer guten Trainingseinheit wesentlich besser, so als hätte die Belastung einfach die betroffenen Regionen „ausgespült“. Vergesst den Kopf nicht Ein treffendes Sprichwort. Medikamente können das Voranschreiten einer rheumatischen Erkrankung durchaus aufhalten und mit Ernährung und Sport stehen zusätzliche Wege zur Verfügung, die RA zu bekämpfen. Doch darf ein ebenso wichtiger Faktor nicht außer Acht gelassen werden: die mentale Einstellung. Ja, Ihr lest richtig! Eine chronisch entzündliche Erkrankung belastet nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche. Den Betroffenen geht schließlich ein wesentlicher Faktor ihres Lebens meist unwiederbringlich verloren: eine Gesundheit, die nicht von einer dauerhaften Medikamenteneinnahme abhängig ist. Es verwundert daher kaum, dass Depressionen ein Thema sind, welches Betroffene nicht außer Acht lassen dürfen. Hier ist die Unterstützung durch Freunde und Familie, aber auch Fachleuten essenziell, um sich nicht in einem Strudel von negativen Gedanken zu verlieren. „Ich werde nie wieder der Mensch sein, der ich einmal war“. Dieser Satz ist auch aktuell mein treuer Begleiter. Mir ist etwas genommen worden, dass zur Zeit NIE wieder hergestellt werden kann. Meine Medikamente können zwar die Symptome und Entzündungen unterdrücken und eine Ernährungsumstellung oder heiße und kalte Umschläge auf den Gelenken können die Beschwerden dämpfen oder Erleichterung verschaffen, aber meine unversehrte Gesundheit wird nie wiederkommen. Sie ist unwiederbringlich verschwunden. Ich habe eine rheumatische Erkrankung und werde sie immer haben. So etwas ist enorm belastend und ich kann Euch nur sagen, es ist absolut keine Schande sich bei der Verarbeitung der Diagnose RA professionelle Hilfe zu holen. Ihr seht also: Es ist das Zusammenspiel aus medikamentöser Therapie, Ernährung, Bewegung und Einstellung, welches dafür sorgt, dass vielen Menschen ihr Rheuma nicht angesehen wird. Denn auch bei mir gibt es immer noch überraschte, teils sogar ungläubige Reaktionen, wenn ich jemandem irgendwann erzähle: „Ich habe Rheuma.“ Oft gesellt sich Neugier dazu und die Person stellt einige Fragen. Dennoch gehe ich sehr offen mit meiner Erkrankung um. Ich vermeide es aber bewusst, jeden Menschen, dem ich begegne, sofort über meine RA zu informieren. Mehr Beiträge von Gastblogger Familie & FreundeMama sein mit Rheuma – Die ersten Monate zu drittGefühlslebenAngst vor der Krankheit – wie stelle ich mich dieser Herausforderung?GefühlslebenRheuma und SchwangerschaftGefühlslebenAls Rheuma-Patient in der Corona-PandemieGesund lebenDie Rolle der Psyche bei der Wahrnehmung rheumatischer BeschwerdenErkrankungDie Krankheit annehmen, mit ihr leben und aktiv an der Behandlung teilnehmen Zurück Um diesen Beitrag zu versenden, bitte hier E-Mail-Adresse eintragen Sie können den Beitrag über Ihr Social Media-Profil teilen.